Ganz nah dran an den Facetten der Freundschaft
800 Schüler waren im Jugendhaus von den fünften Anderswo-Leseexpeditionen begeistert
Gott zieht um? Schon der Titel der Eröffnungslesung mit Irma Krauß lädt die 80 Viert-, Fünft- und Sechstklässler zum Nachdenken, Philosophieren und Diskutieren ein. Gibt es Gott wirklich? Und welche Religion ist denn nun die richtige? Irma Krauß lässt ihre Hauptperson Jörg sich mit Fragen auseinandersetzten, die den Schülern nicht fremd sind. Während Jörg seine Sinnkrise auch durch die Freundschaft zu seinem Ethiklehrer bewältigen kann, stellt sich das Problem der Freundschaft innerhalb verschiedener Religionen bei den Jugendlichen nicht. „Das spielt wirklich keine Rolle bei uns“, versichern die Schüler.
Lustig wird es anschließend für die Erst- und Zweitklässler. Die vielseitige Autorin hat ihnen kurze Geschichten von Jule mitgebracht, die den Anwesenden ein andauerndes Lachen ins Gesicht zaubern. Jule hält ihre Familie ganz schön auf Trab, vor allem auch, weil sie nicht nur Prinzessin sein will, sondern auch zusammen mit ihrem Freund Adrian gerne mal Hühner jagt, Schlammburgen baut oder sich in ein kleines Blaubeermonster verwandelt.
Die Lesungen sind Teil der „Anderswo-Leseexpeditionen“, zu denen das Brettener Jugendhaus nun bereits zum fünften Mal einlädt. Eine Woche voller Geschichten, Bücher und Lesungen, die sich in diesem Jahr rund um das Thema „Freundschaft“ drehen. „Viele Brettener Schulen beteiligen sich sehr aktiv an unseren Veranstaltungen“, freut sich Jugendhausleiter Hartmut Baumgärtner. Oft werden die Lesungen durch die Lehrkräfte vorbereitet, selbst ganze Klassensätze an Lektüre werden zur Nachbereitung angeschafft, auch um die durch die Autorenbegegnung entstandene Lesemotivation zu nutzen. Eine Klasse der Pestalozzischule hat gar einen Korb voll selbstgebackener Leckereien mitgebracht, um sich bei der Autorin und den Veranstaltern zu bedanken.
Positiv verzeichnet Baumgärtner auch, dass alle Schularten das Angebot des Jugendhauses nutzen. So erleben Werkrealschüler und Gymnasiasten gemeinsam Irma Krauß‘ Lesung ihres preisgekrönten Romans „Das Wolkenzimmer“, der in seiner menschlichen und zeitgeschichtlichen Brisanz die Zuhörer nicht loslässt und zu ausführlicher Diskussion führt.
Auch auf die Autorenauswahl haben die Schulen Einfluss. So stehen Veranstaltungen mit Minna McMaster ganz oben auf dem Wunschzettel. Ihr gelingt es mühelos, 120 Zweitklässler mit ihrer beliebten Massage- und Aktivlesung ins Unterwasserreich zu entführen oder die Schulanfänger im Kindergarten für Ritter Hubis abenteuerliche Begegnung mit einem Drachen zu begeistern. Natürlich wird die Autorin anschließend von Kindern umringt, die sich ein Autogramm ergattern möchten.
Ganz ohne Buch kommt Sérgio Clemente Taero aus, der von seiner Kindheit in Mosambik erzählt. Sein abenteuerlicher Schulweg führt durch eine ursprüngliche Natur, die voller Überraschungen und realer Gefahren ist, aber auch von Aberglauben gespeiste Ängste schürt. In der Dämmerung gilt es wieder zu Hause anzukommen, denn nun ringen die Kräfte des Tages und der Nacht miteinander und aktivieren ihre Geister. Am Lagerfeuer ist es schließlich für den Jungen entscheidend, ob er den Eltern seinen guten Abschluss der vierten Klasse verkündet, denn dieser würde nicht nur eine Verlängerung seiner Schulzeit, sondern auch den Umzug in die große unbekannte Stadt und den Abschied von den Eltern und Freunden bedeuten. Fasziniert und gebannt lauschen die Grundschüler den Ausführungen Taeros, dürfen auf der Schiefertafel schreiben und Fotos von Mosambik betrachten. In einer Fragerunde sitzen sie ganz nah um den Erzähler herum und stellen begierig weitere Fragen.
Furios schließlich das Gastspiel des Pforzheimer Theaters. Was der Schauspieler Benjamin Schardt da alles an Figuren auf die Bühne bringt, reißt die drei anwesenden dritten und vierten Klassen zu wahren Begeisterungsstürmen hin.
Ganz große Klasse!